Wie sagt ein bekanntes Sprichwort von Christoph Martin Wieland so schön: „Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.“ Gerade in herausfordernden Zeiten treffen plötzliche Veränderungen im Geschäftsleben ein, die es nicht immer sofort zulassen, die nächstliegende Lösung des Problems zu finden. Viele KMU in Österreich haben demnach Schwierigkeiten, kompetentes und fachgerechtes Personal zu akquirieren. Dabei spielt der Begriff „Interim Management“ im Zusammenhang mit Changeprozessen eine immer wichtigere Rolle.
Doch was bedeutet der Begriff eigentlich genau? Was macht Interim-Management so besonders und wie darf man „Kompetenz auf Zeit“ verstehen? Wir haben Dr. Martin L. Mayr vom Fachverband DÖIM zu einem Interview eingeladen, der es besser weiß. Er berichtet über Einblicke rund um die Welt des „Interim-Managements“.
Andreas Draxler: Herr Dr. Mayr, Sie sind Vorstandsvorsitzender bei dem Fachverband DÖIM, der Dachorganisation für Interim Management in Österreich. Interim Management, das klingt für viele in der Praxis noch abstrakt… Können Sie das bitte kurz erläutern?
Interim Management ist gar nicht mehr so unbekannt und schon gar nicht neu. Sicher gibt es Interim Management seit über 30 Jahren auch in Österreich. So richtig etabliert hat es sich seit Mitte der 2000er Jahre.Wo fängt es an und wie weit reicht der Einsatz von Interim Managern?
Also vielfältig wird Interim Management mit Restrukturierung gleichgesetzt. Das ist es bei weitem nicht. Sicher ist es ein wichtiger Bereich, der aber nur ca. 15% ausmacht. Interim Management wir aber immer dann eingesetzt, wenn rascher Handlungsbedarf ist, wenn fehlendes Know-how ergänzt werden muss oder wenn strategische Projekte umgesetzt werden sollen. Der Einsatz erstreckt sich dabei über alle Funktionen und über alle Branchen.
Andreas Draxler: Also ein breit gefächertes Feld… wie gehen Sie dabei im Analyseprozess eines Auftrages vor? Welche bilanziellen Kennzahlen sind besonders wichtig für Sie und auf welche „soft facts“ legen Sie wert?
Der Projektstart ist sehr wichtig. Der Interim Manager muss mit dem Auftraggeber klar abstimmen, was die Zielsetzung ist, welche Rahmenbedingungen es gibt und was NICHT Teil des Auftrages ist. Das gilt übrigens ganz gleich in der Beratung. Anzumerken ist aber auch, dass nie alles vorhergesehen werden kann. Gerade in der Anfangsphase kommen neue Themen dazu bzw. gibt es weitere Erkenntnisse, die vorher nicht bekannt waren. Wichtig ist hier die direkte Abstimmung mit dem Auftraggeber und auch das schriftliche Festhalten dieser Neuigkeiten und ev. Änderungen der Auftragslage.
Andreas Draxler: Können Sie im Entscheidungsprozess bereits im Vorfeld typische Muster im österreichischen Mittelstand erkennen? Wenn ja, wo sehen sie aktuell den größten Handlungsbedarf?
Der Entscheidungsprozess in Österreich ist stark emotional getrieben. Einen strukturierten Prozess gibt es selten. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass Interim Management bekannter gemacht wird und dass auch Eigentümer und Führungskräfte im Mittelstand die Umsetzungs- und Lösungsorientierung von Interim Management erkennen. Es ist wikrlich ein effizientes Tool, um Prozesse zu verbessern, Organisationen zu optimieren bis hin zu Restrukturierungen effizient umzusetzen. Der Interim Manager ist immer nur an der Sache selbst interessiert, er geht wenn der Job erledigt ist!
Andreas Draxler: Zeit für ein Praxisbeispiel: Angenommen ein mittelständisches Unternehmen steht im Zuge des Projektmanagements mit dem Rücken zur Wand und das geplante Projekt droht zu scheitern. Wie kann das Know-How des Interim-Managements konkret beim Turnaround unterstützen?
Ein tolles Beispiel, welches ich oft beobachte: Eskalationsstufe eines Projektes. Wichtig ist, dass man erstmal einen Interim Manager ins Unternehmen holt. Was viele gerne verwechseln: Er ist kein Berater sondern bringt das Projekt als Verantwortlicher wieder zu Laufen und setzt alle Schritte selbständig um!
Innerhalb von wenigen Tagen ist der Interim-Manager startklar: Er analysiert die IST Situation und stimmt sich dabei eng mit dem Auftraggeber ab. Darauf erfolgt die Konzeption und Planung der Lösungsschritte und beginnt sofort auch mit der Verbesserung und Umsetzung. Wichtig zu wissen: Er agiert nicht allein oder im Elfenbeinturm. Ein Interim Manager hat immer sehr hohe Führungserfahrung und Management Expertise. Er nimmt damit alle Mitarbeiter und das Projektteam in der Umsetzung mit, holt sie ab und bringt wieder neuen Schwung in das Projekt. Neben der Zielerreichung im Projekt befähigt er somit auch alle Mitarbeiter, Themen und Teilprojekte selbst umzusetzen. Somit ist die Kompetenz und das Know-How im besten Fall erfolgreich auf die Mitarbeiter und ins Unternehmen übergegangen.
Andreas Draxler: Klingt vielversprechend – und setzt Engagement des gesamten Teams voraus. Wie reagieren Sie, wenn Ihre Expertise von einzelnen Mitgliedern „abgelehnt“ wird?
Das kommt tatsächlich auch immer wieder vor aber durch die Erfahrung und Kompetenz schaffen es Interim-Manager meistens, die Mitarbeiter richtig abzuabholen, um gemeinsam an der Zielerreichung zu arbeiten. Auch wenn oft anfänglich Skepsis herrscht oder der Interim-Manager als Gefahr gesehen wird.
Bei Einzelfällen, in denen sich gewisse Mitarbeiter absolut quer stellen und damit das Projekt oder den Auftrag gefährden, muss man sich trennen. Hier gilt: Je scheller, desto besser. Aber das ist nur eine Notlösung…
Andreas Draxler: Stichwort „Krise“: Welche Auswirkungen hat die aktuelle wirtschaftliche Lage auf die Interim-Branche? Oder konkret auf Ihren Joballtag?
Klar, Corona oder auch die Inflation hat uns hart getroffen. Im ersten Lockdown ist das Interim-Management Geschäft auf 10% gefallen, also quasi komplett weggebrochen. Nach dem Lockdown ist das Geschäft auch nur langsam wieder zurückgekommen. Momentan sieht es etwas besser aus, Unternehmen haben gelernt damit umzugehen, die Schockstarre hat sich gelegt.
Wir sind aber optimistisch und gehen davon aus, dass das Business wieder steigt. Dann sind nämlich Themen wie Restrukturierung, SCM, Logistik bis zu IT und Projekt Management gefragter denn je. Aber Interim-Management ist immer spätzyklisch. Zurzeit kann man nur auf Sicht fahren, die Planbarkeit ist sehr eingeschränkt.
Andreas Draxler: Ja, das beobachten wir auch im Factoring-Geschäft, die Restrukturierungsfälle steigen stark an. Wir rechnen mit einem deutlichen Anstieg der Nachfrage des Liquiditätsbedarfs abseits des klassischen Bankkkredits. Herr Dr. Mayr, nun wollen wir nochmal nachhaken: Gibt es eine Art „Frühwarnsystem“, die KMU bei drohenden Krisen heranziehen können?
Ja, Zeichen erkennen und schnell reagieren. Nicht abwarten bis es zu spät ist oder nur die Banken „schreien“. Wenn Umsätze einfallen, wenn es Stockungen in der Organisation gibt, ist es Zeit zu reagieren. Der Einsatz eines Interim Managers der eine Sicht von außen mitbringt und Erfahrung aus vielen Bereich aufweist, kann hier sehr schnell und effizient Lösungen bringen. Probieren Sie es aus, es tut nicht weh, ganz im Gegenteil!
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Die Dachorganisation Österreichisches Interim Management – DÖIM ist eine nationale Plattform für Professionals im Bereich Interim Management. Das Ziel ist die Bekanntmachung und Förderung des Berufsbildes des Interim Managers, Erfahrungsaustausch und Networking unter den Mitgliedern sowie die Einhaltung von Qualitätsstandards. Die Dachorganisation kennzeichnet mit dem QIP, dem Qualitätssiegel für Interim Management Provider, Interim Management Unternehmen aus, die sich zu den hohen Qualitätsstandards, dem DÖIM-Providerkodex bekennen.
Martin L. Mayr ist Inhaber und Executive Partner der GOiNTERIM® GmbH, einem internationalen Interim Management Provider und Projektvermittler mit Büros in Deutschland und Österreich. GOiNTERIM hat auf internationaler Ebene bereits über 1.000 Projekte in 39 Ländern erfolgreich umgesetzt. Dabei greift GOiNTERIM auf ein Netzwerk von über 6.000 qualifizierten Managern zurück.Darüber hinaus ist Herr Mayr Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzender der DÖIM – Dachorganisation österreichisches Interim Management und stv. Vorsitzender des AIMP – Arbeitskreises Interim Management Provider, dem Branchenverband im deutschsprachigen Europa.